
Everyday Dreams
Amy Macdonald predigt zwischen Älterwerden, persönlichen Höhen und Tiefen, wiedergefundener Energie und menschlichen Bedürfnissen von der Liebe.
Wie so viele Musikerinnen und Musiker auf der ganzen Welt, unterhielt auch Amy Macdonald (33) während des ersten Corona-Lockdowns das Publikum über ihre Social-Media-Kanäle. Dabei gab sie neben Anekdoten, persönlichen Gefühlen und ihren Songs auch kleine Einblicke in den Entstehungsprozess ihres fünften Studioalbums, an dem sie bereits seit 2018 tüftelte. Im Februar 2020 starteten die Aufnahmen, doch schon im März, quasi auf der Zielgeraden, kam die Arbeit zum Erliegen, weil sich die Welt in Quarantäne begab. Erst im Sommer, nach drei Monaten Pause, konnten die Aufnahmen fortgesetzt werden, die nun unter dem Titel „The Human Demands“ vorliegen.
Nachdem Amy Macdonald vor zwei Jahren mit „Woman Of The World: The Best Of 2007-2018“ ihr letztes Album für den Major Universal Music abgeliefert hatte, schloss sie sich dem BMG-Label an und holte sich für die Aufnahmen ihrer neuen Songs Jim Abbiss (Arctic Monkeys, Adele, KT Tunstall, Kasabian, Birdy) als Partner ins Studio. Damit folgte sie der Tradition ihrer ersten drei, von Pete Wilkinson produzierten Alben, die deutlich homogener klangen, als der von einem halben Dutzend Produzten betreuten „Under Stars“-Longplayer (02/2017). Trotzdem gab es einige Hürden zu überwinden. Nach dem langen Aufnahmebreak hatte sich jede Menge Energie aufgestaut. Dennoch gab es bei Amy Macdonald Zweifel, ob der Weg der richtige ist:
„Zuerst habe ich mir viele Gedanken darüber gemacht, ob ich ausgerechnet in so einer Zeit Musik veröffentlichen sollte. Denn seien wir mal ehrlich – es gibt weit wichtigere Dinge zu tun. Aber dann dachte ich: es ist etwas anderes, es ist neu, interessant und normalerweise würde ich in Europa umherfliegen, Radio-Sessions spielen und Interviews geben. Das geht nun natürlich nicht, was mir erneut das Gefühl gibt, ganz am Anfang zu stehen. Ich bin also wieder an einem Punkt, an dem ich Musik mache, die mir gefällt, und bringe sie auf eine sehr einfache Art und Weise heraus“.
Sei’s drum. Wenn in zwei Wochen das neue AC/DC-Album „Power Up“ erscheint, wird auch niemand von Weiterentwicklung sprechen. Deshalb dürfen sich im Fall von „The Human Demands“ alle Fans handgemachter Popmusik über ein knackiges Werk freuen, das mit harmlosen Folk-Balladen wie „Young fire, old flame“ und „Strong again“ nur wenig Leerlauf bietet und stattdessen viel frischen Wind verbreitet. So gelingt bereits der Einstieg mit „Fire“ und „Statues“ bemerkenswert kernig und mitreißend. Doch mit „The Hudson“ kann dies sogar noch getoppt werden. Der Track geht als definitiver Hit des Albums sofort ins Ohr, während „We could be so much more“ fast schon komplex daherkommt und seine Spannung aus diversen Breaks, harten E-Gitarren im Wechsel mit Akustikgitarren sowie einem etwas zerklüfteten Songaufbau bezieht.
Auf diese Weise hält Amy Macdonald den Spannungsbogen bis zum Schlusspunkt, dem atmosphärischen „Something in nothing“ hoch und präsentiert damit ein Album, das sich dann doch als unerwartete Weiterentwicklung einstufen lässt und mit locker einem halben Dutzend erstklassiger Songs das Soll voll erfüllt.
Anspieltipps: